Video Still einer jungen chinesischen Frau in khakifarbener Uniform, eine Zigarette in die Höhe haltend, mit einem Blumenbouquet vor ihr, welches den unteren Bildrahmen ausmacht. Yang Fudong, Sammlung Goetz München
Sammlung Goetz | Projektion auf Außenwand

Yang Fudong: Honey (mi), 2003 & Lock Again, 2004

Die Videoarbeiten Honey (mi) und Lock Again des chinesischen Künstlers Yang Fudong zeigen eine neue filmische Ästhetik, die einerseits mit der Tradition der progressiven Filmproduktion des Shanghai der 1930er Jahre verbunden ist und andererseits auf Fragestellungen der heutigen chinesischen Gesellschaft aufmerksam macht, die zwischen alten und neuen Geschlechterbildern, Konsum und Kommunismus, Stadt und Land sowie Zensur und Freiheitsträumen steht.

Die Betrachter*in des Films Honey (mi) wird gleich in der ersten Einstellung mit Frauenbeinen in Netzstrümpfen konfrontiert, die eine erotisch aufgeladene Stimmung provozieren. Eine zurechtgemachte Frau verharrt rauchend auf einem rotem Sofa, ähnlich wie die namenlose Prostituierte im chinesischem Film The Goddess, (1934), im langem Kleid auf einem Bürgersteig des nächtlichen Shanghai auf Kunden wartet. Die Frau in Honey (mi) scheint dem Bild einer klassischen Geschlechterrolle zu unterliegen, die in Kontrast zu den sich mit ihr im Raum aufhaltenden Männern in maoistischer Einheitsuniform steht. Auch sie trägt Jacke und Mütze einer Uniform, kombiniert jedoch mit einem westlich orientierten Kleidungsstil. Fudong transformiert hier die Ästhetik der Stummfilme aus den Anfängen des chinesischen Kinos in eine Welt der bunten Bilder. Ähnlich wie in den Stummfilmen verzichtet er auf verbale Kommunikation der Figuren, sie scheinen aber dennoch narrativ miteinander verstrickt zu sein. Die so entstandenen Handlungslücken lassen Raum für Vermutungen und Assoziationen. Die beobachtende Kameraperspektive von oben und die spannungsgeladene Musik lassen an Agent*innenthriller denken. Zusammen mit der Ausleuchtung der einzelnen Szenen und den Bildern, die offensichtlich klassischen Sujets der Filmgeschichte entnommen sind (zum Beispiel Verfolgungsjagd, Glücksspiel hinter verschlossenen Türen), werden so konstruierte Strukturen der Filmindustrie enttarnt.
Auch in Lock Again begegnen der Betrachter*in zwei Männer in weißen Polizeiuniformen, die in einigen Szenen mit Handschellen aneinandergefesselt sind. Erschöpft keuchend sitzen sie blutverschmiert auf dem Boden. Sie wirken wie auf der Flucht, am Ende scheinen sie zu entkommen: Zusammen mit einer Frau in einem rosafarbenen Kleid rudern sie auf einem Boot der Freiheit entgegen. Doch die letzte Szene des Films holt das Boot in den Innenraum eines Hallenbades zurück – das Boot ist leer, die Frau ist weg, die Männer stehen bis zur Brust im Wasser, der Traum ist ausgeträumt, das Blut als Kunstblut entlarvt.

Honey (mi), 2003
1-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton
Laufzeit: 9’ 29’’

Lock Again, 2004
1-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton
Laufzeit: 3’

 

Vorschau

Gutai. Sammlung + Goetz

| Pinakothek der Moderne | Sammlung Moderne Kunst

Die Sammlung Moderne Kunst präsentiert seit 2019 in der Pinakothek der Moderne im Rahmen des Formats Sammlung+ künstlerische Entdeckungen, Neuerwerbungen sowie thematische Schwerpunkte im Zusammenspiel mit Partnern und Stiftungen. Auf diese Weise werden neue Perspektiven auf die Sammlungen eröffnet, Einblicke in die Forschungsarbeit gegeben und Dialoge hergestellt. In diesem Rahmen wird eine Auswahl von Gemälden der japanischen Künstlergruppe Gutai aus dem Bestand der Sammlung Goetz in Saal 23, innerhalb einer Raumflucht präsentiert, die nahezu zeitgleiche regionale und deutsche Abstraktionsphänomene unter dem Titel „Walk the Line“ fokussiert. 1954 vom abstrakten Maler Jiro Yoshihara gegründet, gehört sie mit der Verbindung von Aktion, Abstraktion und Materialität zu den innovativsten künstlerischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts.

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