Düstere begehbare Installation mit überdimensionalen Blumenskulpturen
ONLINE PRÄSENTATION

Nathalie Djurberg & Hans Berg. The Experiment

Wer die Ausstellung Nathalie Djurberg & Hans Berg. The Experiment der Sammlung Goetz im LOVECRAFT nicht gesehen hat, kann sie jetzt online anschauen. Hier gibt es neben einem Videorundgang durch die Ausstellung, noch Installationsansichten, ein Interview mit Nathalie Djurberg & Hans Berg sowie die drei Stop-Motion Filme Greed, Forest und Cave in voller Länge zu entdecken. Einige der Inhalte sind auch in Einfacher Sprache und in Gebärdensprache zugänglich.

Q&A mit Nathalie Djurberg und Hans Berg

"Unsere 70-Quadratmeter-Wohnung mit kleiner Küche, Schlaf- und Wohnzimmer, Musikstudio und Atelier füllte sich mit den Skulpturen..."

zum Interview

Video-Rundgang

Video: Dominik Dittberner

The Experiment

In eine märchenhafte Welt mit rätselhaften Geschöpfen, wilden Tieren und exotischen Pflanzen entführen uns Nathalie Djurberg & Hans Berg in ihren Filmen und Installationen. Doch die wundersamen Fabelwesen treiben ein schauriges Spiel. Das Böse lauert überall, und für die Protagonist*innen ihrer Geschichten, die ahnungslos in jede Falle tappen, gibt es kein Entrinnen.

Bekannt wurde die 1978 in Lysekil geborene schwedische Künstlerin Nathalie Djurberg durch ihre Stop-Motion-Filme, in denen sie Puppen aus Plastilin und Stoff in surrealen, humorvollen, aber auch beängstigenden Geschichten zum Leben erweckt. Djurberg macht in ihren Arbeiten von der Herstellung der Figuren über die Inszenierung bis hin zur Postproduktion alles selbst. Die Filmmusik komponiert ihr künstlerischer Partner Hans Berg. Ähnlich wie bei den Stummfilmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Musik ein wichtiges Gestaltungselement, das die Handlung vorantreibt und die Charaktere auf ihrem Weg begleitet.

Die Multimediainstallation The Experiment, für die Djurberg 2009 auf der Biennale in Venedig mit dem Silbernen Löwen als beste Nachwuchskünstlerin ausgezeichnet wurde, besteht aus einem surreal anmutenden Garten mit 139 überlebensgroßen Pflanzen, die sie aus verschiedenen Kunststoffen, Pappen und Draht geformt hat. Ähnlich wie Alice im Wunderland fühlen sich die Betrachter*innen, wenn sie an weit geöffneten, feucht glänzenden Blütenkelchen und einem Dickicht aus Schlingpflanzen vorbeiwandern, die ihre klebrigen Blätter nach ihnen auszustrecken scheinen.

Inmitten dieser wundersamen Pflanzenwelt werden mit Greed, Forest und Cave drei Videofilme präsentiert, die ambivalente Gefühle zwischen Faszination und Ekel, Neugierde und Abscheu wecken. Weil die Protagonist*innen in den Filmen Puppen und keine Menschen sind, ermöglichen sie eine schonungslose Darstellung von gesellschaftlich verdrängten Themen wie Kindesmissbrauch, Sadismus, Sodomie und Gewaltexzess.

Nathalie Djurbergs & Hans Bergs Filme verstören, weil sie sich formal an der Gestalt kindlich wirkender Knetfiguren orientieren, jedoch Themen tief sitzender Traumata und psychischer Deformationen aufgreifen. Was für ein Mensch mag dahinterstecken, der diesen niedlichen Geschöpfen aus einer scheinbar heilen Kinderwelt solche derben, kaum erträglichen Geschichten zuschreibt? „Es ist ein Zugang, um sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen“, erklärt Djurberg ihre Motivation in einem Interview. „Man untersucht, wie weit man gehen kann, wie weit es einen selber betrifft oder verstört. Ich war überrascht, als ich zum ersten Mal bemerkte, dass ich bei einer meiner Animationen tatsächlich die Ungeduld des Killers und Vergewaltigers nachempfinden konnte, dass ich ungehalten war darüber, dass das weibliche Opfer mir Schwierigkeiten und dadurch für sich selber alles nur noch viel schlimmer macht. Ich muss alle Rollen selber spielen, den Täter und das Opfer gleichermaßen. Der Zusammenstoß zwischen diesen beiden hat immer schon mein Interesse erregt.“

Greed, Forest und Cave

Im Videofilm Greed treiben drei lüsterne kirchliche Würdenträger ihr Unwesen mit einer nackten, ihnen schutzlos ausgelieferten Frau. Das eigentliche Martyrium beginnt für sie aber erst, nachdem sie sich zu einer Geschlechtsgenossin flüchtet. Unter dem Einfluss der Kleriker quälen sich die Frauen dann gegenseitig mit immer schlimmeren Grausamkeiten.

Wiederkehrendes Element in den Filmen von Djurberg sind tierartige Geschöpfe, die ihren animalischen Trieben freien Lauf lassen. Im Videofilm Forest, dem zweiten Teil der Trilogie, handelt es sich jedoch um Pflanzen. In diesem Film verirren sich eine junge Frau und ihr Begleiter in einem düsteren Märchenwald. Schlingpflanzen greifen nach ihnen, reißen ihnen die Kleider und schließlich auch die Gliedmaßen vom Leibe.

Der Feind ist nicht immer das andere, sondern befindet sich auch ein Stück weit im Menschen selbst. Im Videofilm Cave, dem dritten Teil der Multimediainstallation The Experiment, ist eine Frau, gefangen in einer Höhle, in einem absurden Kampf mit sich selbst verstrickt, der in einer gnadenlosen Selbstzerfleischung endet. Die Grenzen zwischen Opfer und Täter scheinen sich hier endgültig aufzulösen.

Sammlung Goetz x LOVECRAFT

Das Lovecraft im ehemaligen Kaufhof am Stachus galt als eines der prominentesten Zwischennutzungsprojekte in München. Nicht nur die zentrale Lage zwischen Karlstor und Hauptbahnhof war vielversprechend, sondern auch das Konzept für das Objekt, das der Unternehmer und Veranstalter Michi Kern entwickelt hatte. Weil die Sammlung Goetz durch die Maßnahmen an ihrem Gebäude in Oberföhring zurzeit über keine eigene Ausstellungsfläche verfügt, entschied sie sich für zunächst zwei Jahre 2.000 Quadratmeter im Untergeschoß des Lovecraft zu bespielen.

Zum Auftakt zeigte sie die Multimedia-Installation The Experiment des Künstlerduos Nathalie Djurberg & Hans Berg. Die Arbeit besteht aus einem surreal anmutenden Garten mit mehr als hundert überlebensgroßen Pflanzen, in dem drei Stop-Motion-Filme präsentiert werden. Dazu sollte es ein vielfältiges Begleitprogramm mit Gesprächen, Führungen, Workshops, barrierefreien digitalen Angeboten und Vermittlungsformaten geben. Doch nach dem Eröffnungswochenende im September 2023 wurde das Lovecraft wegen fehlender Genehmigungen wieder geschlossen. Das endgültige Aus des Projekts wurde Anfang Dezember bekannt gegeben.

„Wir bedauern, dass das Lovecraft nach dem furiosen Auftakt nicht in dem vorgesehenen Rahmen weitergeführt werden kann. Wir fanden das von Michi Kern und seinem Team entwickelte Mischkonzept für den ehemaligen Kaufhof am Stachus sehr inspirierend und hatten die Hoffnung dort neue Besucher*innengruppen anzusprechen und für Gegenwartskunst zu begeistern“, sagt Katharina Vossenkuhl, die Direktorin der Sammlung Goetz.

Entdecke mehr Filme von Nathalie Djurberg & Hans Berg in voller Länge

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